DER MENSCH STEHT HIER IN DER MITTE
Dieser Gedanke ist neu. Dies stellt eine Herausforderung dar und kostet einen gewagten mutigen Schritt, nämlich in Bezug zur eigenen eingeprägten und gewohnten Art des Denkens. Es ist bequemer, im eigenen alten gewohnten Denkmuster zu verharren. Das Neue bei Heinz Grill ist, dass der Menschen selbst in seiner spirituellen Befähigung in der Mitte steht und sogar Christus eine heilsame spirituelle Kraft geben kann. Dies stellt damit einen komplett neuen philosophischen Gedanken dar und würde daher auch Mut kosten, die eigene Bequemlichkeit von alten Denkmustern zu überwinden. Hierzu erscheint die Problematik im Denken nach dem alten, sukzessiven System, dass es so nicht mehr funktioniert. Dies liegt am Menschen selbst, der quasi in eine neue Entwicklungsphase gekommen ist. Eine neue Zeit ist angebrochen und benötigt neue spirituelle Impulse. Neue spirituelle Ideen sollen die Zukunft des Christentums bereichern.
Mit einem Blick auf die Kirche ist es erforschbar, dass gerade dann sich eine nicht mehr zu überwindende krisenbeladene Kluft zwischen Klerus und Gläubigen aufgetan hatte, wenn sie auf die Nöte der jeweiligen Zeit keine Antwort hatte, weil benötigte neuen spirituelle Impulse fehlten. Wir haben es heute zu tun mit einer 2000 Jahre alten Kirchengeschichte. In dieser Zeit hat sich doch auch der Mensch weiter entwickelt und dies betrifft auch den Reformbedarf der Kirche. Auffällig ist es hierzu, dass besondere Persönlichkeiten neue Inhalte in ihrer Philosophie brachten und dadurch die Kirche dann der jeweiligen Zeit mit neuen Impulsen belebten, die rückbetrachtet genau das darstellten, was sie brauchte. Der heilige Franziskus zum Beispiel brachte auffällig neue spirituelle Möglichkeiten, die einen Aufbau und Verbindung innerkirchlich für seine Zeit und sogar weiterhin bewirkte. Die neuen spirituellen Impulse, die er brachte mit seiner Idee seiner „Braut, die Armut“, stellte genau das dar, was die Kirche in dieser Zeit benötigte, in der eine große Kluft zwischen Reich und Arm bestand, in welche die Kirche auch sehr verwickelt war, so dass die spirituelle Bewegung des Heiligen Franziskus hier neue fruchtbringende und verbindende Möglichkeiten beinhaltete. Anders zum Beispiel verhielt es sich mit Meister Eckhardt, einem immer noch als einer der größten mittelalterlichen Mystiker bezeichneten Persönlichkeit. Neid, Missgunst und Machtspiele unter dem Klerus selbst waren die größten politischen innerkirchlichen Antriebe, die gegen den Mystiker denunzierend vorgingen, sodass er mit dem Bannfluch belegt wurde. Heute noch spricht man von dem Schaden, der dadurch womöglich angerichtet wurde, da die Reformatoren die spirituellen Impulse von Meister Eckhardt nicht mehr kennenlernen konnten. Hier geht es also auch darum, dass neue philosophische Gedanken in ihren Inhalten auch aufbauend und verbindend sind und daher wertvolle friedenstiftende Wirkungen zu geben vermögen.
Beleidigungen wie der heute gern als Suggestivbegriff gebrauchte Ausspruch „Sekte“* stellen hierzu heute eine Entwertung der Würde einer Person dar und schaffen eine Atmosphäre der Unfreiheit, sind ausschließend und kategorisierend. Sie öffnen dem Unrecht Tür und Tor. So erscheint es heute ein Zeitphänomen zu geben, sodass es wie gewünscht ist, dass der Mensch Sekte sei, dass er abhängig sei von einem Guru und in gruppenhaften Abhängigkeiten im Leben wie verstrickt. Menschen werden mit Sekte beleidigt, wenn sie eine unabhängige Spiritualität bringen oder leben wollen. Es ist wichtig, heute dieses Phänomen zu erforschen und sich gegen dieses Zeitphänomen Sekte zu wehren, das Menschen als schlecht kategorisiert, mit entsprechenden Projektionspolen.
Hier wird der Ruf laut nach Objektivität und Sachlichkeit, die ich als wichtigste Basis für einen offenen Dialog sehe, sodass das heute dringend benötigte Lern- und Forschungsfeld auch in Bezug zu neuen philosophischen Inhalten, wie bei Heinz Grill, bewahrt werden kann; - eine Sachlichkeit, frei von persönlichen subjektiven Vorlieben oder Parteiungen. Es geht um die Freiheit, neutral und ohne Bewertungen auch auf beide Seiten, wie zum Beispiel die der Kirche und die von Heinz Grill, blicken zu können.
Als ein Beispiel kann wertneutral erforscht werden, in welchem Bild heute die Kirche erscheint und wie dies bei Heinz Grill zu sehen ist. Eine Erweiterung des Forschungsfeldes sehe ich hier zum Beispiel in der Frage: Wie kann der Mensch mehr zu einer eigenen freien Stellung im Leben kommen? Diese Frage berührt heute jedoch aus Gründen der zunehmenden Individualisierung in der Entwicklung des Menschen, auch den Reformbedarf der Kirche. Eine wichtige weitere Thematik und Fragestellung mit spirituellem Zusammenhang hierzu ist, wie dieses „Wesen Mensch“ zu sehen ist? So geht es hier auch darum, welche Stellung der Mensch als Einzelner im Leben und Kulturgeschehen, oder sogar im Gesamten des Schöpfungsplanes einnimmt. Es geht um einen hoffnungsvollen Standpunkt des Einzelnen im Sinne der Freiheit und Würde oder sogar der Befähigung des Menschen.
Gerade in Bezug zu einer unabhängigen Spiritualität finden sich bei Heinz Grill Neuigkeiten, die er mit dem Begriff „Individuation“ bezeichnet. Es finden sich hier praktische Umsetzungen einer Antwort auf die zunehmende Individualisierung des Menschen. Allgemein kann diese Art von Spiritualität auch mit einer Synthese von Geist und Welt benannt werden. Braucht die Kirche heute diese in seinen Schriften beinhaltete Philosophie auf Grund des Bedarfes einer zeitgemäßen Ausformung der Spiritualität? Gibt es dazu wesentliche Aussagen und vielleicht auch Unterschiede im Vergleich dazu, wie die Kirche, - in welchem Vorstellungsbild oder auch in welcher Rolle in der Gesellschaft zum Beispiel, sie heute erscheint?
Einige Informationen über den „Ich-Stand des Menschen“ bei Heinz Grill im Vergleich zum heutigen Bild des „Heilssakramentes Kirche“ bei der Kirche:
Eine Vorstellung einer Ideenentwicklung bei Heinz Grill:
„Wir müssen nun aber für die Individuation ganz anders denken, damit wir die Schulung realistisch einschätzen können. Wir müssen ein vollkommen anderes Denken entwickeln und wir müssen von unserem denkenden, selbstbewussten Erleben ausgehend, von der sich entwickelnden Selbstbewusstheit, also von unserem Stand, auf dem wir uns befinden, eine selbständige Beziehung herstellen zu anderen Menschen oder zur Außenheit. Wir müssen eine Beziehung nach außen oder zu Schriften oder auch zu anderen Menschen herstellen und damit eine Beziehung zu Gott, zu Ishwara entwickeln.“ (1)
Es geht hier also um die eigene Entwicklung im Sinne einer selbsteigenen Beziehungsfähigkeit nach außen, zu den Mitmenschen und damit zum göttlichen Herrn oder kosmischen Selbst - „Ishwara“ selbst. Als Beispiel wird hier unter anderem im Ich des Menschen das Zentrum seiner Freiheit gesehen. Daraus lässt sich auch seine weitere Erforschung zur Individualisierung des Menschen erkennen:
„Erst in jüngeren Jahren ist die Notwendigkeit verstärkt in das Leben hereingetreten, dass der Einzelne nach und nach zu dieser eigenen Stellung gegenüber allen Außenheiten, gegenüber allen Meistern, allen Lehren und Lehrern, allen Kirchen oder auch aller Gemeinschaften kommen muss.“(1)
Das ungewöhnliche und zentrale an dieser Philosophie von Heinz Grill ist ja die Anerkennung einer Befähigung des Menschen, den anderen und sogar Christus selbst eine spirituelle aufbauende Förderleistung zu geben. Dazu sollte der Mensch heute einen Freiraum erhalten. Die Absicht dazu erscheint hier, dass eine klare mentale Formung der Spiritualität entstehen soll, die eine gewisse freie Kondition benötigt. In diesem Text über die Ich-Stellung erscheint es hierzu methodisch einmal darum zu gehen, Verschiedenstes einmal wie eine Art „Außenheit“ wahrzunehmen. Hier ist die Rede von einer eigenen Stellung, während andere, auch verschiedenste Autoritäten, hier gegenüber dieser eigenen Stellung eine „Außenheit“ darstellen. Dies wäre also eine Art Positionierung, die vermutlich auch etwas bewirken möchte: Vielleicht einmal einen eigenen Stand zu bekommen, oder um einmal einen freien Blick überhaupt zu erhalten, also überhaupt als erstes eine Wahrnehmung und einen klaren logischen Gedankenaufbau, eine klare Anschauung oder sogar eine Übersicht, ein freieres Gegenübertreten, vielleicht auch eine weitere Differenzierungsmöglichkeit, für diese Außenheiten in Bezug zur eigenen Stellung, zu gewinnen, - dies könnte vielleicht eine Idee hier sein.
Für diese klare mentale Formung der Spiritualität erscheint die eigene Stellung hier eine wesentliche Bedeutung zu haben, als eine gewisse freie Kondition des Menschen selbst, denn es finden sich bei Heinz Grill gerade diesbezüglich verschiedenste Ideenentwicklungen zur Ich-Stellung des Menschen, (wie zum Beispiel die Gründung einer exoterischen Ordnung im Neuen Yogawillen):
„Das innere Zentrum sollte nicht von außen überschattet, beeinflusst und erdrückt werden. Im Ich ist das Zentrum der Freiheit“. (1)
Im Zuge dessen findet sich auch folgendes Bild der „Ich-Stellung“ des Menschen:
*das Ich ist hier in die Mitte des Menschseins gerückt
* Leben und Kulturgeschehen des Menschen sind wie in einem Kreis nach außen orientiert zu dieser Mitte, dem „Ich“
Somit stehen das Leben und Kulturgeschehen, wie zum Beispiel: Arbeit, Freizeit, Gemeinschaft, Kollegen, Religion in einem Außenkreis und die Mitte dieses Kreises ist das Ich.
Die weitere genaue Bedeutung dieser Aussagen findet sich in seiner Philosophie der Individuation beinhaltet, als eine integrale Spiritualität, die sich in der Verantwortung des Ich und des Einzelnen gegründet sieht. Als ein Beispiel unter anderen könnte hier die Herzmittelstellung genannt werden, oder im Yoga auch das Herzcakra, die Herzlotusblüte. Eine wichtige seelische Eigenschaft, die im Zusammenhang damit gesehen wird, ist mit „inhaltlicher Gestaltung des Lebens“ benannt und dazu finden sich vielzählige Ideen des Schriftstellers, wie das Leben im Sinne einer eigenen Ideenentwicklung mit Inhalten gestaltbildend bereichert werden kann. Als ein Beispiel, betonte Heinz Grill in einem Interview (Spiritualität und freiheitlich-soziale Entwicklung), im Sinne seiner Entwicklung einer bewusstseinsorientierten Arbeit, wie wertvoll eine inhaltliche Erarbeitung auch von theologischen Begriffen sei. So wie ich es verstanden habe, kann eine inhaltliche Erarbeitung von Begriffen, wie zum Beispiel dem Begriff „Stoffumwandlung“ oder „Transsubstantiation“, auch auf religiösem Gebiet, Polarisierungen (von richtig/falsch oder wahr/irrtümlich) entschärfen und verbindend wirken. – Und dies stellt damit auch eine friedensstiftende Wirkung von einer inhaltlichen Erarbeitung von Begriffen auf theologischem und allgemein religiösem Gebiet dar.
Im Vergleich zur Mittenstellung des Menschen bei Heinz Grill, findet sich heute vor allem das Bild des „Heilssakramentes Kirche“ in der Kirche, einem Begriff, wie er zum Beispiel im 2. Vatikanischen Konzil stark geprägt wurde. Dies besagt dass die Kirche das Heilssakrament Christi selbst ist. Der Gläubige kann sich der Kirche anschließen. Die Kirche steht hier vor dem Einzelnen.
Im Vergleich ist es auffällig, dass in dem von der Kirche heute präsentierten Bild, mehr eine Art bereits schon vorhandene Verschmelzung oder Vereinheitlichung mit Christus besteht, mit der sie vor dem Einzelnen steht. Der Einzelne kann sich dieser anschließen. Im Bild oder der Idee des freien Ich-Standes bei Heinz Grill ist eine starke Ausdifferenzierung in eine Mittenstellung des Menschen und freien eigenen Stellung, - gegenüber diversen Außenheiten, wie Autoritäten - und gegenüber einem Kreis an Leben und Kulturgeschehen, als Idee zur Beziehungsaktivierung erkennbar.
Dies stellt nun das eigentliche freie Forschungsfeld dar, das sich hier damit eröffnet, - objektiv, neutral und ohne Bewertungen zu vergleichen.
Hierzu lassen sich einige Tendenzen in der Kirche erkennen, die bestätigen, dass der Kirche heute etwas fehlt und dass sie gerade diese in den Schriften von Heinz Grill beinhaltete Philosophie des Mittenstandes des Menschen benötigt, da hier eine praktische Umsetzungen zur Frage der Zeitgemäßheit der heutigen Individualisierung des Menschen besteht, während dies heute in der Theologie noch zu viel nur Theorie ist. Hierzu können wichtige Geistforschungen bei Heinz Grill gefunden werden, die auch die Kirche heute benötigt, welche aber heute in der Kirche in weiten Teilen fehlen:
*Ein größerer Freiraum zur Selbstaktivierung einer unabhängigen Spiritualität des Einzelnen selbst
*Erforschungen zur Synthese von Geist und Welt auch als eine zukünftige Aufgabe der Institution Kirche
*Erforschungen über zukünftige wichtige Ausdifferenzierungen auch auf theologischem Gebiet in Bezug zum heutigen Entwicklungsstand des Menschen
*Erforschungen von vorhandenen Umkehrungen, die den Menschen in seiner ihm mögliche Verantwortung und Befähigung in die Mitte rücken
Ganz allgemein gesprochen, möchte der Mensch heute mündig sein. Er möchte selber wissen, worum es bei einer Sache oder Angelegenheit geht und sein Leben so gestalten, wie er es für sinnvoll hält. Wenn nun Rudolf Steiner davon spricht, dass es wichtig ist, Vertrauen zum anderen Menschen zu gewinnen, so möchte ich dazu ergänzen, dass ich es gerade heute mehr denn je für wichtig halte, Vertrauen in mich selbst zu gewinnen. Dies bedeutet für mich zum Beispiel, dass ich sehr wohl imstande bin, selbst einen freien esoterischen spirituellen Gedanken als solchen zu erkennen und zu unterscheiden - und ihn auch so denken zu können, sodass er für mich schließlich sogar exoterisch integrierbar und umsetzbar im Leben wird.
Dieses Vertrauen in mich selbst zu fördern, sehe ich jedoch in der Kirche in ihrem heutigen Stand eher als fraglich an. Die Reinkarnation der Seele als ein Beispiel, ist im Neuen Testament als Glaube bei Christus und seinen Jüngern leicht zu entdecken. In der Kirche jedoch wird der Glaube an die Reinkarnation der Seele als Irrmeinung bezeichnet. Hier erscheint es, dass etwas nicht mehr gesehen wurde.* Wer hat hier Recht? Hier sind bis heute noch verschiedenste größte Diskrepanzen vorhanden. Solche Diskrepanzen sollten jedoch meines Erachtens überwunden werden zu Gunsten hoffnungsvoller notwendiger Zukunftsschritte. Beleidigungen jedoch schaffen hier genau das Feld in dem die Wahrnehmung zum Mitmenschen abgetrennt und damit die Freiheit des Menschen verletzt wird.
Die Freiheit des Menschen jedoch ist es doch, selber friedensstiftend zu sein,- selber aufbauen, verbinden und veredeln zu können.
Welchen Bedarf hat die Kirche heute? Ein Weg zurück in die Vergangenheit, erscheint hier wohl illusorisch. Menschen werden in der Kirche jedoch kategorisierend beleidigt, wegen ihrer neuen Inhalte in ihren philosophischen Schriften. Beleidigungen jedoch schaffen hier einen großen Fehler. Wo ist dieser Ort- wo wir endlich nicht nur den Frieden ersehnen, sondern ihn auch konkret zu denken beginnen, indem wir zu lernen beginnen - lernen anfangen miteinander zu reden. Darin, in dieser Aktivität des Lernens, indem wir auch miteinander reden können, sehe ich vor allem die Hoffnung auf Frieden.
*Sekte kommt ursprünglich von dem griechischen Wort „sequi“ und bedeutete hier wertneutral „Folgen einer Person oder Lehre“. Heute werden darunter Menschen verstanden, die sich in Guru-ähnlichen Abhängigkeitsverhältnissen befinden. Das kritische daran jedoch ist die Benutzung des Begriffes als Suggestivbegriff.
*Die Reinkarnation der Seele ist von der Kirche dogmatisch abgeschafft worden. So findet sich der Hinweis, dass ein Origenes von Alexandria (185-254 n. Christus) noch in folgender Weise von Reinkarnation sprach:
„…..So hat man die Ursache in einem Leben zu suchen, das dem jetzigen Leben voranging. Jeder von uns eilt der Vollkommenheit durch eine Aufeinanderfolge von Lebensläufen zu. Wir sind gebunden, stets neue und bessere Lebensläufe zu führen, sei es auf Erden, sei es in anderen Welten. Unsere Hingabe an Gott, die uns von allem Übel reinigt, bedeutet das Ende unserer Wiedergeburt.“
Origenes von Alexandria jedoch wurde in späterer Zeit in Konzilien mit dem Bannfluch belegt und der Glaube an die Wiedergeburt als Irrlehre deklariert. Es erscheint hier etwas nicht mehr gesehen worden zu sein. Damit ist seither in der Kirche die Lehrmeinung vertreten, dass die Seele des Menschen durch sexuelle Vereinigung von Mann und Frau entsteht. Die Entstehung der Seele wird hier vom Körper also folglich von der Materie her entstanden angesehen.
(1) Initiatorische Schulung in Arco; Die Herzmittelstellung und die Standposition im Leben, Heinz Grill
*Auszug aus einem theologischen Gutachten:
2. Der Synthesegedanke als Aufgabe der Kirche nach Heinz Grill
Diese Stellung des Menschen selbst zwischen Geist und Welt wird hier besonders auffällig mit dem Synthesegedanken in Zusammenhang gesehen. In Bezug zur Theologie und der Kirche spricht der Schriftsteller in einem Vortrag davon, dass eine Synthese von Geist und Welt, die Aufgabe der Institution Kirche ist. In der gleichen Ausführung von ihm, ist hier, schon im Jahre 1996, von einer wesentlichen Bedingung – einer geheimnisvollen „Entscheidung“, für den Seelsorgedienst am Nächsten, einerseits, oder für eine bloße Selbstabsicherung nur zum eigenen Wohlergehen, andererseits – die Rede. Letzteres ist für ihn das Gegenteil eines lebendigen Glaubens. Danach bedingt diese „Entscheidung“, ob eine Synthese möglich ist oder nicht. Hierin liegt danach „Dharma“ (ein Begriff aus der indischen Theologie, der „Ordnung“ bedeutet und auch im Sinne einer göttlichen Ordnung, dort ein häufig gebrauchtes Wort ist.) – Heinz Grill übersetzt es hier, im Zusammenhang mit dieser geheimnisvollen Entscheidung:
„Dharma ist im Sanskrit das Wort für all dasjenige, was in die Zukunft hinein reicht. Das ist die Hoffnung für die Zukunft.“ (11)
Eine Selbstabsicherung nur zum eigenen Selbstzweck kann nach dieser Sichtweise niemals zu einer Synthese von Geist und Welt führen. Ein lebendiger Glaube aber, benötigt danach heute, zeitaktuell die Synthese. (11)
10.4. Das Bergsteigen, als ein Beispiel für den hier verwendeten Begriff einer weltengeistigen Eingliederung durch die Selbstkraft des Menschen
Was nun eine weltengeistige Eingliederung ist, das ist hier verglichen mit dem Bergsteiger von früher, der sich mit großen Opferleistungen und Ehrfurcht der Natur zugeordnet hat, also hierin eine Eingliederung erfahren hat. Mit großem Einsatz musste er zuerst den Berg erkunden, die beste Linie herausarbeiten, in vielen Versuchen und manchmal auch mit bitterem Scheitern. Durch diesen großen Einsatz, mental, geistig wie auch körperlich, wurde der Bergsteiger mit der Natur und dem Berg versöhnt. Er wurde mit seinem Geist ein Teil der Natur selbst oder vielleicht sogar des Berges selbst. Aus diesen Gründen sind die damals herausgearbeiteten Kletterrouten oder Wege auch heute noch etwas Besonderes, werden mit „klassisch“ bezeichnet. Es macht sich hierin bemerkbar, dass sich hier der Mensch der Natur nicht aufgedrängt hat, sondern sich ihr, oft mit großen Opferleistungen, zugeordnet hat. Dadurch sind diese Routen in diesen Mühen und Ringen aus dem Gedanken des Berges oder der Naturschöpfung heraus, geschaffen worden.
Als krasses Gegenbeispiel ist hier ein modernes Phänomen des Bergsteigens erwähnt, worin, ausgerüstet mit den entsprechenden Mitteln und Möglichkeiten, einfach die Direttissima von unten nach oben gewählt und begangen wird, ohne den Berg längere Zeit zu studieren und ohne diesen in seiner Besonderheit oder Eigenart zu berücksichtigen. (46)
Zwischen diesen beiden Vergleichen kann ein unterschiedlicher Beziehungsfaktor, aber auch eine unterschiedliche Substanzkraft in der gesamten Aufmerksamkeitslage, festgestellt werden. Das erste Beispiel stellt eine Eingliederung des Menschen in die Natur dar, die eine Versöhnung und Vereinigung mit ihr beschreibt.
Eine Eingliederung in den geistigen Weltenzusammenhang wird von Heinz Grill folgendermaßen beschrieben:
„Somit wird der Mensch in sich in eine andere Zuordnung kommen, von der wir wahrhaftig sagen können: Es ist ein Einswerden. Je größer sein Werk ist und je mehr er sich seinem Werk hingibt, umso mehr eint er sich. Er versöhnt sich. Er wird durch diese Objektivkraft, durch diese Selbstkraft, durch diesen Ansporn mehr und mehr ein Teil der gesamten Welt, des Himmels und der Erde. Er wird mit seinem Geist in die Weltensphäre aufgenommen. Diese Wahrheit findet sich im Geiste niedergeschrieben und äußert sich gleichzeitig in seinem selbstschaffenden Ausdruck im Irdischen“ (46)
Diese Selbstkraft oder Objektivkraft, als eine Fähigkeit, die Materie mit Geist zu beseelen, kann von jedem Menschen zunehmend entwickelt werden, also auch in jeder Arbeitssituation. Das Aufgenommen-Sein in den geistigen Weltenzusammenhang äußert sich in einer Teilhabe, die von Heinz Grill in verschiedenster Hinsicht beschrieben wurde. Dazu benötigt es einen inneren Aufstieg in den Seelenkräften. Der Weg dahin ist hier die Individuation in einer Synthese von Geist und Welt durch den Menschen, im Sinne einer Ausformung und Umsetzung einer Idee, wie er im ersten Punkt des Gutachtens dargestellt wird.
10.6. Weitere Quellenangaben zu dem Kriterium eines Aufgenommen-Seins in den geistigen Weltenzusammenhang als eine Objektivkraft im Menschen
10.6.1. Zum Beispiel: Ein Text von Jakob Böhme:
Jakob Böhme, der evangelische Mystiker des späten Mittelalters, beschreibt hier in sehr anschaulicher bilderreicher Sprache den Unterschied, ob wir uns mit den Glaubensgeheimnissen Christi nur äußerlich kitzeln und heuchlerisch meinen, das würde schon genügen, oder darein eingehen. Als ein zentraler Gedanke im Text erscheint seine Aufforderung, dass diese Selbstaktivität bedeute, immer mehr dem Bilde Christi ähnlich zu werden. Er beschreibt in diesem bilderreichen Text, wie sich nun diese Lebenssituation des „neuen Menschen“, in die man dadurch zunehmend kommt, anfühlt. Zu kämpfen, hat man dann mit 3 Feinden: Dem Teufel, dem alten Adam und der Welt:
„Es tut alles nicht, dass wir uns heucheln und mit Christi Leiden und Tod kitzeln. Wir müssen darein eingehen und seinem Bild ähnlich werden, alsdann ist uns Christi Leiden und Tod nütze. Wir müssen sein Kreuz auf uns nehmen, ihm nachfolgen, die bösen Lüste dämpfen und töten und immer gern wohl wollen. Alsdann werden wir wohl sehen, was Christi Fußstapfen sind, wenn wir wider den Teufel, den alten Adam und die böse Welt werden streiten, wider die irdische Vernunft, die nur zeitlicher Wollust begehret. Da wird uns Christi Kreuz recht aufgelegt, denn der Teufel ist es, die Welt ist es und unser böser Adam ist es. Alle diese sind unsere Feinde. Allda muss der neue Mensch stehen als ein Ritter und in Christi Fußstapfen kämpfen. O wie viel unzählige Feinde wird er da erwecken, die alle auf ihn schlagen werden. Allda heißt: um das dörnere Ritterkränzlein Christi fechten als ein Ritter, und doch nur stets verachtet sein als einer, der der Erde nicht wert sei.“ (48)
10.6.2. Zum Beispiel: Giovanni Segantini:
Im Vergleich zu einer „göttlichen Pflicht“, spricht der Künstler hier von einer „göttlichen Kunst“. Nicht die Armseligkeit, die er auch in seiner Arbeit erfährt, soll im Bilde erkennbar sein, sondern etwas, was über diese armselige Mühe hinausgeht. Das Ziel ist hier klar formuliert: „Die Gedanken sollen mit den Farben des Bildes verschmelzen“. Diese Schöpfung, die daraus entsteht, erkennt er damit in seinem eigenen Schaffen und in der Schöpfung außerhalb seines eigenen Werkes, in der Natur,- den Blumen wieder: Es ist göttliche Kunst.
„Also, ich möchte, dass man im Bild die armselige Mühe des Menschen nicht erkennt, ich möchte, dass sich die Gedanken mit den Farben des Bildes verschmelzen. Die Blumen sind so, und das ist die göttliche Kunst.“ (48)